Wir werden mehr: Community Event 2018
Seit unserem Bestehen verfolgen wir das Ziel, Engagierte für eine konstruktive Debattenkultur zu vernetzen, zu stärken und sichtbarer zu machen. Gleichwohl wollen wir Positionen zivilgesellschaftlicher Akteur*innen bündeln und an Politik sowie Unternehmen weitergeben, um aktiv gegen Hass und Hetze im Netz vorzugehen. Entsprechend groß ist unsere Freude über eine wachsende Community. 80 Teilnehmende konnten wir an den zwei Spätsommertagen in Berlin versammeln, darunter auch Marie-Theresa Weber (Public Policy Managerin bei Facebook) und Renate Künast (MdB, Die Grünen).
Die Vielzahl der vertretenen Organisationen und Aktivist*innen brachte für uns die Herausforderung mit sich, viele miteinander in Kontakt zu bringen - etablierte Organisationen mit kleineren Social Startups, Ehrenamtliche mit Förderern oder auch Forschungseinrichtungen mit Aktivist*innen. Ihr seht: Es gab eine Menge Themen für produktive Gespräche. Wir starteten direkt ins Community Building: Mithilfe von interaktiven Workshop-Methoden lernten wir einander besser kennen, erzählten von unseren Herausforderungen und übten kollegiale Beratung. Mit einer Akteurslandkarte haben wir die ganzen Verbindungen visuell eingefangen.
Um beim Thema Hassrede weiter zu kommen, luden wir drei Expertinnen ein, die aktuelle Herausforderungen anhand ihrer Perspektive schilderten: Psychologin Dorothee Scholz erklärte, wie Hassrede zustande kommt, warum Einzelne ihren Hass öffentlich kanalisieren, was das mit Betroffenen macht und mit welchen Mechanismen wir uns davor schützen können. Jolanda Spiess-Hegglin, ehemalige Politikerin und Gründerin der schweizerischen Organisation Netzcourage, schilderte an ihrem Fall eindrucksvoll wie sie vom Hass fast zerstört wurde, dann aber ihr Schicksal selbst in die Hand nahm. Sie trifft sich mit jenen, die Hass an sie herantragen und hat viele juristische Klagen gewonnen. Inzwischen ist sie die erfolgreichste Aktivistin gegen Hate Speech in der Schweiz. Von ihren Erfahrungen können wir und auch das deutsche Rechtssystem viel lernen.
Dass es uns wichtig ist, möglichst unterschiedliche Perspektiven zusammenzubringen, zeigt besonders der Input von Marie-Theresa Weber, Public Policy Managerin bei Facebook. Sie sprach darüber, wie Facebook bezüglich Hate Speech und Fake News Verantwortung übernimmt. Dabei ging sie u.a. auf das Zusammenspiel zwischen Community Standards und dem deutschen Rechtssystem, v.a. dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz, ein.
Zeit für Austausch
Zwei volle Tage mit vielen anderen Initiativen sind selten. Deswegen stand das Wort “Austausch” ziemlich oft und groß in unserer teaminternen Agenda. Ein passendes Format dafür war unser Open Space, bei dem alle Teilnehmenden ihre eigenen Gedanken einbringen und bearbeiten konnten. Es bildeten sich sieben kleine Gruppen, die über Themen wie Hate Speech in Online-Games, Mobilisierung und Zivilcourage, Radikale Höflichkeit im Umgang miteinander oder auch technische Lösungen bei Hassrede diskutierten. Verena und Larissa von Gesicht Zeigen! gestalteten einen Workshop mit dem Titel Love-Speech, wobei es sich um ein niedrigschwelliges Tool handelt, um Hate Speech (präventiv) zu begegnen. Es muss nicht immer ein rauher Ton sein, der unsere Diskussionen bestimmt. Wertschätzende Sprache soll gezielt für einen menschenfreundlichen Umgang eingesetzt werden. Wir haben ein kleines Methodenset für unseren Alltag mitgenommen.
Konfetti für vielversprechende Ideen gegen Hate Speech
Wir wollen einen Teil unseres Projektbudgets in wirkungsvolle Projekte gegen Hate Speech investieren. Dabei ist es uns wichtig, dass die Wirkung der Ideen auch auf andere Initiativen ausstrahlt und dabei hilft, Hassrede einzudämmen. Von siebzehn eingereichten Projekten, haben es zehn in die Endrunde unseres Förderwettbewerbs geschafft. Am Abend des 13.09. stellten sie ihre Ideen dem Publikum vor. Im Anschluss entschieden alle Anwesenden durch ein Community Voting, welche vier Projekte den Zuschlag und damit 5.000 Euro für die Umsetzung ihrer Ideen erhalten. Jubel und Konfettikanonen gab es für die Gewinner-Projekte: Diskutier mit mir, #ichbinhier, Fakten gegen Rechts und Tadel verpflichtet. Wir berichten über die Projekte hier auf unserer Website demnächst ausführlicher.
Wie können wir demokratische Werte sichtbarer machen als Hass und Hetze?
Mit neuen Bekanntschaften, spannenden Impulsen, gemeinsamen Ideen und vier tollen Gewinner-Projekten starteten wir in den zweiten Tag. Auch hier hatten wir eine Menge vor. In den vergangenen Monaten sprachen wir mit unterschiedlichen Menschen immer wieder über den gegenwärtigen Diskurswandel in unserer Gesellschaft. Dem widmeten wir uns mit einer Fishbowl-Diskussion unter dem Titel „Sprache, Werte, Narrative“. Wir beobachten die organisierte Verbreitung von Hass und Hetze in digitalen Kanälen. Als Konsequenz verschiebt sich der öffentliche Diskurs. Diskriminierende Sprache wird plötzlich unreflektiert in den Medien sowie von breiten Teilen der Bevölkerung verwendet. Damit verbundene Argumente bestimmen zunehmend die politische Debatte. Extremisten gelingt eine breite Mobilisierung. Wir als Zivilgesellschaft schaffen das mit unseren Narrativen nur begrenzt. Warum ist das so? Wofür wollen wir uns gemeinsam einsetzen? Wie können wir demokratische Werte sichtbarer machen als Hass und Hetze? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, haben wir Politikerin Renate Künast, Aktivistin Paulina Fröhlich, Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch und Kommunikationsexperte Mathias Richel eingeladen. In einem offenen Gespräch diskutierten sie unsere Frage, bevor anschließend das Publikum Gelegenheit bekam, in kleineren Gruppen die gehörten Impulse zu besprechen. Gedanken aus dem Publikum wurden am Ende wieder von unserer Expert*innenrunde besprochen. Damit das Gehörte nicht versickert, sondern direkt in Ideen gegossen werden kann, mündete die Gesprächsrunde in ein interaktives Co-Creation-Format. Nun waren alle im Raum gefragt, machbare und mutige Ideen für eine positive Debattenkultur aufzuschreiben und auszutauschen. Mit einem ausgeklügelten Punktesystem haben wir die spannendsten Ideen identifiziert. Na, neugierig geworden? Da so viele spannenden Aspekte darin steckten werden wir bald einen extra Artikel darüber veröffentlichen.
Weil die Auseinandersetzung mit Hass nicht leicht ist und weil viele von uns ehrenamtlich oder mit begrenzten Ressourcen an dieser Problematik arbeiten, ist Stress vorprogrammiert. Deswegen war es in unserem Sinn, die zwei Tage mit positiven Gedanken zu beenden: Wellbeing. Wir beleuchteten dies auf drei Ebenen:
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Entspannungscoach Conny Fliege ging darauf ein, wie Stress sich körperlich auswirkt und welche praktischen Methoden im Alltag bei der Stressbewältigung helfen können.
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Diane und Isabel von Muutos e.V. erklärten anhand der Gewaltfreien Kommunikation, wie man in einer Stresssituation die richtigen Bedürfnisse nach außen kanalisieren kann.
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Chaska Stern, Coach für Zivilcourage sprach darüber, wie Menschen zu einer inneren Stärke finden können, die in Stresssituationen zur festen Basis werden kann.
Mit diesen Sessions ließen wir unser Community Event ausklingen und beendeten zwei tolle Tage mit einem gemeinsamen “Oooohm”.
Was bleibt? Es ist ein schön mitzuerleben, dass unsere Community immer mehr zusammenwächst und viele mit neuer Motivation und neuen Kontakten nach Hause gefahren sind. Die Vernetzung wird weiter gehen und einige planen bereits gemeinsame Aktionen und Projekte. #Wirsindmehr und gemeinsam können wir viel erreichen. Viele schöne Fotos zum Event findet Ihr auf unserer Facebookseite.
Vielen Dank an unsere Kooperationspartner Gesicht Zeigen!, an deren Lernort 7xjung wir das Event durchgeführt haben.