Portrait

Portrait Jasna Strick

Jasna Strick

Jasna Strick, Autorin und Referentin zu Geschlechtergerechtigkeit und (Netz)feminismus ist Jurorin des NETTZ-Förderwettbewerbes 2019.

Barbara Djassi hat mit ihr über antifeministischen Hass im Netz gesprochen, über die Perspektive der Betroffenen und natürlich über den Förderpreis.

Du bist spätestens seit 2013 bekannt als Netzaktivistin. Wann hast du denn begonnen dich zu engagieren?

Ich glaube, ich hab ungefähr 2011 angefangen, auch feministische Themen in meine Blogartikel mit aufzunehmen. So richtig aktiv geworden bin ich dann, als Social Media wichtiger für mich wurde. 2013 war dann #aufschrei und dann hörte es nicht mehr auf.

Und du bist dann dadurch ungewollt zur Expertin für Hate Speech geworden.

Genau richtig. Das hat das leider schon in der ersten Nacht, als #aufschrei gestartet wurde, mit sich gebracht, sowohl für diejenigen, die es gestartet haben als auch für alle, die sich an dem Abend oder sich in der Folge unter dem Hashtag beteiligt haben.

Und das hat auch eine Weile angehalten?

Das hat für uns, die wir damit öffentlich geworden sind und dann später den Grimme-Online-Award bekommen haben - dadurch waren unsere Gesichter und Namen durch die Presse präsent – für uns hat das bis heute nicht richtig aufgehört. Die heiße Phase dauerte ein komplettes Jahr an, so lange wie sich das Thema auch in den Medien gehalten hat. Ich kann im Moment für mich sagen: jetzt grade ist es ruhig. Aber wenn ich ein größeres Interview gebe oder irgendwie was Größeres mache, was öffentlich ist, dann gibt es immer wieder Hasskommentare.

Du hast begonnen mit feministischen Beiträgen. Jetzt bist du aber auch eine Spezialistin für Hate Speech. Wie kommst du mit dieser Doppelrolle zurecht?

Ich finde eher, dass Hate Speech sehr viel mit Feminismus zu tun hat, denn Hate Speech muss immer mit Diskriminierung zusammen gedacht werden. Es geht dabei um rassistische oder behindertenfeindliche Kommentare, aber auch um frauenfeindliche und antifeministische Botschaften. Der Antifeminismus in Deutschland ist schon seit einer ganzen Weile sehr gut organisiert und auch im Netz schon eine ganze Weile sehr, sehr aktiv.

Für mein Gefühl ist die Debatte um Hate Speech so um 2015 groß geworden, als mehr über Geflüchtete gesprochen wurde – positiv wie negativ. Alles, was so im antifeministischen Dunstkreis los ist, gibt es schon wesentlich länger. Natürlich gab es auch rassistische Kommentare schon weit vorher. Aber für mich war Hate Speech selbst im Zusammenhang mit Feminismus einfach schon lange Zeit ein akuter Begriff.

Wo im Netz ist Antifeminismus anzutreffen?

Antifeminismus hat sich schon ganz früh in Foren organisiert – vor allen Dingen zu Zeiten als Foren noch das Ding waren. Aber auch heute gibt es die noch. Und dann ist das halt so rüber geschwappt in die Sozialen Medien. Es gibt antifeministische Foren, die teilweise an irgendwelche Vereine oder Organisationen gebunden sind. Da gibt es viele Leute, die sich absprechen, wenn z.B. ein feministisches Thema oder irgendwas, was mit Gleichberechtigung zu tun hat in den Medien verhandelt wird. Dann schicken sie sich den Link und organisieren gezielt einzufallen und die Kommentarspalten zu fluten. Dann attackieren sie sowohl z.B. Spiegel Online als auch gezielt die privaten Profile von einzelnen Akteur*innen. Sie sind nicht nur online organisiert, sondern wirken auch als politische Kraft. Sie organisieren sich in Vereinen, und versuchen darüber Lobbyarbeit zu leisten und an Stellen ranzukommen, an denen sie Einfluss gewinnen können.

Was denkst du, ist die größte Herausforderung, wenn wir etwas gegen Hate Speech unternehmen wollen?

Also gesamtgesellschaftlich betrachtet würde ich sagen, es ist überall noch nicht so richtig durchgedrungen, dass Gewalt im Netz echte Gewalt ist. Ich finde, das ist ein Punkt, den man immer wiederholen muss, wenn man über Hate Speech spricht. Dann ist es notwendig davon zu sprechen, dass Hate Speech verknüpft ist mit Diskriminierung.
Jasna Strick
Netzaktivistin / Feministin

Und wenn ich Diskriminierung sage, dann hat das nichts damit zu tun, dass Leute empfindlich sind und sich auf den Schlips getreten fühlen, sondern dabei geht es um ein Machtungleichgewicht in der Gesellschaft, das ausgenutzt wird und auch gewaltsam benutzt wird, um Politik zu machen.

Wen siehst du in der Verantwortung, Lösungen zu finden?

Das ist immer schwer zu sagen. Ich finde, es muss mehrgleisig gefahren werden. Es ist an der Gesellschaft sich zu fragen, wie wir eigentlich leben wollen. Was ist die Art der Kommunikation, die wir gerne möchten? Wie möchten wir politische Diskurse miteinander führen? Da geht es um ganz konkrete Kommunikationsregeln. Ich glaub, es ist immer noch wichtig auszuhandeln, wie wir die sogenannten neuen Medien nutzen möchten. Was ist okay im Netz? Was ist nicht okay? Natürlich muss auch Politik sich um solche Sachen kümmern. Wenn es darum geht, dass hier ganze Bevölkerungsgruppen ausgeschlossen werden von demokratischen Diskursen, muss zum einen Aufklärungsarbeit geleistet werden. Zum anderen muss sich angeschaut werden, wie die Gesetzeslage ist. Wie einfach ist es, Dinge zur Anzeige zu bringen, die strafrechtlich relevant sind? Auch muss man über strafrechtlich relevante Dinge hinaus sagen, was okay ist und was nicht, wie Menschen miteinander umgehen. Wir brauchen Medienkompetenz für alle Menschen. Ich glaube, es gibt genug Menschen über 18, die keine Ahnung haben, wie Social Media funktioniert und wenn sie da was schreiben, was das eigentlich für eine Wirkung haben kann, usw.

Jasna Strick

Hast du das Gefühl, dass es Ansätze gibt in diesem Zusammenhang, die sinnvoll sind? Gibt es Erfolge, die du beobachten kannst?

Ich glaub, was man definitiv als Erfolg betrachten kann, ist, dass das Thema an sich in den letzten Jahren mehr in den Fokus gerückt ist. Wenn ich zurückdenke an #aufschrei 2013, da mussten wir ganz oft immer noch erklären, was eigentlich dieses Twitter ist, was ein Hashtag ist und was da passiert. Ich hab das Gefühl, dass jetzt 2019 schon mehr –  natürlich nicht alle, aber schon mehr – Leute verstanden haben, was so die grundsätzlichen Basics in Social Media sind. D.h., es ist schon mal eine Grundlage geschaffen, dann auch über Inhalte zu sprechen. Man kann sich angucken, was es an coolen gesellschaftlich progressiven Bewegungen gibt. Es wird analysiert, was auf Gewaltebene passiert und nach Wegen gesucht, wie wir damit umgehen können. Dafür ist jetzt ein bisschen mehr die Grundlage geschaffen, weil alle mehr von dem wissen, worüber wir eigentlich sprechen.

Und ja, das Thema Hate Speech ist leider durch das Thema Geflüchtete und aber auch Angriffe auf Journalist*innen oder Politiker*innen in den letzten Jahren einfach mehr diskutiert worden. Es ist weiterhin wichtig, dass darüber gesprochen wird, Aber das ist halt auch nur die halbe Miete.

Hast du das Gefühl, das wirkt sich auch auf das Thema Feminismus explizit aus? Also, wenn es eine stärkere Wahrnehmung der Anfeindungen gibt, erhält das Thema eine größere Berechtigung in der gesellschaftlichen Debatte als ernsthaftes Thema angegangen zu werden?

Ich glaube, andersrum wird ein Schuh draus. Ich glaube, dass das Thema Feminismus tatsächlich auch stärker diskutiert wird und mehr auch in der Popkultur verhandelt wird, usw.  Und dass darüber eine “Berechtigung” entsteht, auch darüber zu sprechen, was die Kehrseite ist, was es für Aktivistinnen bedeutet, wenn sie dadurch z.B. Opfer von Hass im Netz werden.

Das NETTZ will die Community stärken. Was wünschst du dir von anderen Aktivist*innen?

Ich wünsche mir vor allen Dingen, dass die Perspektive derjenigen mitgedacht wird, die tatsächlich diesen Kommentaren ausgesetzt sind.
Jasna Strick
Netzaktivistin / Feministin

Es freue mich, dass sich ganz viele Organisationen gründen und über Diskussionskultur im Netz sprechen wollen, darüber, was da alles passiert und dazu schöne Gegenperspektiven finden oder überlegen, wie unbeteiligte Menschen eingreifen können und mit positiven Kommentaren gegenwirken usw. An der Stelle wünsche ich mir allerdings tatsächlich mehr, dass die Perspektive derjenigen einbezogen wird, die dabei tatsächlich Opfer sind und nicht nur Opfer, weil sie sich eingemischt haben, sondern Opfer, weil sie existieren, weil sie z.B. Schwarze Deutsche sind oder Frauen oder Trans-Personen oder was auch immer. Denn es kann nicht für alle eine Lösung sein zu sagen: „Ah, ich schick da jetzt irgendwie ein nettes Meme zurück.“ oder was auch immer da für Strategien gefunden werden. Das kann vielleicht für Leute funktionieren, die einfach Zivilcourage zeigen wollen, aber es ist doch noch mal eine andere Nummer, wenn man da im Sturm selbst drin steht.

Heisst das, du möchtest gern, dass die Betroffenen besser geschützt und betreut werden?

Geschützt, betreut, aber auch einbezogen werden. Ich hab oftmals das Gefühl, dass sich in Initiativen Leute zusammen schliessen, die sich sozusagen auf einer professionellen Ebene mit der Moderation von Kommentaren, Community Management, etc beschäftigen, aber das aus einer außenstehenden Perspektive tun und dabei die Innenperspektive fehlt.

Wie würdest du gern das, was du da beschreibst und die Thematik Antifeminismus bei unserem Community Event im Juni präsent sehen?

Ich glaube, dass das eine gute Gelegenheit sein kann, um nochmal über die Hintergründe von antifeministischer Vernetzung aufzuklären und auch zu zeigen, wie Antifeminismus und Rassismus miteinander verknüpft sind, wie antifeministische Thesen bei als vor allen Dingen als rassistisch bekannten Parteien/Bewegungen als Kit dienen.

Es wäre gut deutlich zu machen, an welcher Stelle man erkennen kann, was Propaganda ist, aus welcher Richtung sie kommt und dass es nicht erst bei konkreten Hassparolen anfängt, wie man sie so plakativ aus den Medien kennt, sondern dass dahinter ein Weltbild steht, das vielfach schon bei antifeministischen, frauenfeindlichen Dingen anfängt.

Manchmal hab ich das Gefühl, dass Perspektiven wie die antifaschistische, antirassistische und die feministische parallel laufen und ihre Schnittmenge nicht finden. Das könnte man, je nachdem wer bei dem Event dabei ist, mal ganz gut zusammen führen.

 

Du denkst, dass könnte auch für ein “Fachpublikum” eine Thematik sein, für die Aufklärung nötig ist?

Ja, das kommt glaube ich so ein bisschen drauf an, aus welcher Ecke die Leute wirklich kommen. Ich glaube, dass es einiges gibt, das vielen Leuten sehr geläufig ist, z.B. dass gegen Geflüchtete gepöbelt wird, für Grenzen, etc. Das erkennen die meisten Leute als Content, mit dem man umgehen muss, auf den man entweder reagieren will, löschen oder moderieren oder was auch immer. Aber es muss bei antifeministischen Sachen eben auch klar sein, wo die Linie gezogen wird. Ich glaub, da gibt es viele Themen, die gesellschaftsfähiger sind oder anschlussfähiger à la „diese Feministinnen übertreiben ja auch alle so ein bisschen.“ Da fehlt es an manchen Stellen noch so ein bisschen an Sensibilität.

FP2019

Dieses Jahr bist du eine unserer Jurorin des Förderpreises…

Genau. Ich freu mich auf die Einsendungen, die hoffentlich zahlreich kommen. Ich bin sehr gespannt, was für Perspektiven da kommen, was für Leute das sind, die sich da Sachen ausdenken. Was ich über die Perspektive, die Innenperspektive gesagt habe, das ist natürlich das, was mich besonders interessiert, Ich werde auch darauf schauen, wie konkret die Betroffenen mitgedacht werden bei den Ideen, die eingereicht werden. Ich wünsche mir Ideen, bei denen es um erste Hilfe geht für die Leute, die sich in so einem Angriff befinden. Auf die Ideen bin ich einfach besonders gespannt, weil ich natürlich so aus Nutzer*innenperspektive da konkret Bedarf hätte. 

Heißt das, du fühlst dich nicht inzwischen total fit und reagierst routiniert souverän?

Nein, kein bisschen. Ich glaube, es gibt auch nicht die Super-Strategien. Ich glaube, dass es total wichtig ist, dass jede/r für sich ihren eigenen Umgang damit findet. So Dinge wie, ob man was anzeigen möchte oder nicht, das muss jede/r für sich selber entscheiden, wie einer/m das gut tut oder eben nicht.

Ich kann aus Erfahrung sagen, dass es sinnvoll ist, erstmal die Kommentare von sich zu halten, sie zu blockieren, zu melden und dabei Beweise zu sichern. Das ist definitiv wichtig, wenn man wirklich mal einen Schritt weiter gehen möchte, um einen Kommentar zur Anzeige zu bringen. Das muss man dann vielleicht nicht selber machen, sondern mit der Unterstützung von anderen. Sehr wichtig ist sich nicht isolieren zu lassen, immer in Kontakt mit seiner Crowd sein – online, wie offline.

Also, wie oft schon an anderen Stelle ausgesprochen - Solidarität hilft.

Ja, Solidarität aus der Richtung gedacht, dass Leute, die beobachten, was passiert auf die Person/Organisation zugehen und Hilfe anbieten. Und alle müssen sich darüber bewusst sein, dass es total ok ist, wenn man Hilfe braucht.

Was würdest du Betroffenen mit auf den Weg geben?

Ich glaube, der wichtigste Ratschlag ist immer, nicht allein zu bleiben mit den Angriffen, die passieren, genauso wie bei anderen Gewalttaten, die irgendwie als unwichtig betrachtet werden oder die nieder gemacht werden. Man sollte sich bewusst werden, dass es nicht die Schuld der Person ist, die angegriffen wird, dass sie angegriffen wird und dass das Gefühl total valide ist, tatsächlich angegriffen und verletzt zu sein. Denn auch Gewalt im Netz ist echte Gewalt und die angegriffene Person ist klar berechtigt, sich Hilfe zu holen, welcher Art auch immer. Das kann “nur eine persönliche Unterstützung” sein, um mit der Situation umzugehen, aber auch juristische oder psychologische Unterstützung, etc.

Eine ganz schlechte Idee – ich hab das eine lange Zeit gemacht – ist, sich alles durchzulesen, was über eine/n so geschrieben wird, Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass man das nicht tun sollte. Man merkt oft gar nicht, wie sehr das dann eben doch einsickert, wenn man sich dieser Gewalt immer wieder so aussetzt.

Selbst wenn man weiß, dass das Quatsch ist und dass das Leute sind, die was auf einen projizieren und man dieses Arschloch natürlich nicht ist, als das man da bezeichnet wird. Das sickert trotzdem ein, wenn man so Dinge über sich immer wieder liest. Deshalb ist mein Rat, sich dem Sturm gemeinsam mit Vertrauten entgegen zu stellen.

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