Portrait

Portrait HateAid auf "Das NETTZ"

Logo der Organisation HateAid. Schwarzer Schriftzug mit einem buntem Pflaster in der oberen linken Ecke.

HateAid ist ein digitales Angebot, das mit der Bereitstellung von Leitfäden und Guides auf der Website Betroffenen dabei helfen will, eine digitale Hetzjagd zu überstehen. Die Empfehlungen enthalten Tipps von Personen, die politische Gewalt im Internet schon erlebt haben. Zwar sind die Inhalte nicht rechtsverbindlich und können die eigenen Entscheidungen nicht ersetzen. Jedoch können sie wertvolle Hilfe leisten. HateAid ist ein Angebot von Fearless Democracy e.V., einer jungen NGO, die vor allem von Kreativen und Medienschaffenden betrieben wird, die ihre Kompetenzen zum Schutz einer digitalen Bürgergesellschaft einsetzen.

Warum tut Ihr das, was Ihr tut?

Unser Gründer Gerald Hensel hat 2016 als Werber die private Aktion #KeinGeldFürRechts ins Leben gerufen. Er fragte dabei Werbetreibende, ob sie eigentlich wissen, dass viele von ihnen Populisten und Extremisten ohne ihr Wissen unterstützen. Diese Aktion brachte ihm viel Hass ein: dutzende Morddrohungen, zwei Wochen Terror, sein Arbeitgeber wurde wochenlang verleumdet und boykottiert bis er seinen Job verließ. Er erlebte in der Zeit, dass man in solchen Situationen völlig alleine dasteht. Einige andere von uns haben auch schon große Shitstorms und sehr bedrohliche Situationen im digitalen Raum erlebt, bei denen es keine Hilfe gab. Daher: HateAid.

Bei dem Projekt HateAid sind Kreative und Medienschaffende am Werk. Warum ist das in Bezug auf Hassrede so wichtig?

Hassrede ist ja nur ein kleiner Teil unserer Arbeit als Verein. Fearless Democracy e.V. als Verein hinter HateAid beschäftigt sich generell mit all den Fragen, durch die v.a. das politische System in den letzten Jahren gegenüber Populisten und Extremisten in die Defensive geraten ist.

Welche Rolle haben Social Networks heute, um diese Phänomene zu verhindern? Was ist eigentlich Hate Speech und welche Rolle haben Shitstorms? Ist das NetzDG (Anmerkung der Red: Netzwerkdurchsetzungsgesetz - ein Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken) richtig? Warum tut Twitter eigentlich nichts gegen Bots im Bundestagswahlkampf? All diese Fragen treiben uns um. Und als kommunikative und digitale Praktiker sind wir vor allem an der Wirkweise der digitalen Wut-Industrie interessiert. Darüber sprechen wir dann mit Politikern, Journalisten und anderen Organisationen, damit wir gemeinsam besser werden.

"Hoffe auf das Beste, aber rechne mit dem Schlimmsten” lautet die Ansage in einem Eurer Leitfäden. Wie kann HateAid helfen, wenn der schlimmste Fall wirklich eintritt, und ein Leitfaden nicht mehr ausreicht?

Seit es uns gibt, haben wir auch immer Menschen kontaktiert, die gerade unter Druck waren, wenn wir davon mitbekommen haben. Leitfäden und Broschüren (die es ja kaum gibt), sind nur ein erstes Hilfsangebot. Aber jeder Fall ist komplett anders und manchmal hilft am besten jemand, der sagen kann: Ich habe das schon erlebt.

Seit es uns gibt, haben wir auch immer Menschen kontaktiert, die gerade unter Druck waren, wenn wir davon mitbekommen haben. Leitfäden und Broschüren (die es ja kaum gibt), sind nur ein erstes Hilfsangebot. Aber jeder Fall ist komplett anders und manchmal hilft am besten jemand, der sagen kann: Ich habe das schon erlebt.
HateAid
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Welche Rolle spielen Bots in einer digitalen Hetzjagd? Was kann man tun, wenn ein Bot einen auf dem Kieker hat? Argumente dürften da nicht helfen…

In Geralds Shitstorm reden wir über 1,4 Millionen Tweets, die in 12 Tagen über ihn geschrieben wurden. Bots haben da durchaus einen Anteil gehabt, aber fast immer, um aus Nichts viel zu machen. Meist weiß man ja noch nicht mal, ob man es mit Bots zu tun hat, weil der Absender menschlich ist. Nur die Verstärker sind Bots. Meist ist in diesem Fall aber auch dann jede Argumentation sinnlos wenn der Absender ein Mensch ist.

Eure zivilgesellschaftliche Initiative bietet Opfern von Hate Speech Informationen, Ressourcen und Solidarisierung. Was macht Euch zur Plattform, wie kann man mitmachen?

Wir versuchen derzeit als Organisation klein zu bleiben und erstmal die notwendigen Finanzen sicherzustellen. Wenn dies geschafft ist, öffnen wir uns vielleicht weiter. Dies muss aber erstmal sichergestellt werden.

Welchen Beitrag kann Vernetzung im Umgang mit Hate Speech leisten?

Vernetzung ist der absolut wesentliche Teil. Es ist ja großartig zu sehen, wie viele Menschen die Rückkehr ins Politische geschafft haben - viele kleine Initativen, die ja meist nur einzelne Ideen darstellen. Viele dieser Initiativen könnten besser arbeiten, wenn sie mehr Überblick über den „Markt“ hätten: Wo gibt es wen? Wo stehen Mitbewerber? Gibt es komplementäre Angebote? Kann man irgendwo zusammenarbeiten? Hier gibt es total viele Möglichkeiten Zusammenarbeit zu optimieren. Es muss ja nicht immer jeder selbst das Rad neu erfinden.

Wenn Ihr Euch ein Tool gegen Hassrede im Netz wünschen könntest, welches wäre das?

Wir würden uns gar kein Tool wünschen sondern einfach eine aufgeklärtere Polizei und eine modernere Strafverfolgung. Derzeit sind die staatlichen Behörden von dem Thema komplett überfordert oder sie nehmen es nicht ernst.

Das Interview führte das NETTZ mit HateAid.

Foto Nadine Brömme
Autor*in

Nadine Brömme

(sie/ihr) Co-Gründerin / Co-Geschäftsführerin

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