Iran: Feministische Widerstände und die Macht von globalen Solidaritäten
Die Ermordung der Kurdin Jina Mahsa Amini durch die iranische Sittenpolizei löste sowohl landesweite als auch weltweite Proteste aus. Eine tragende Rolle für die schnelle und effektive Mobilisierung trägt hierbei das Netz als Ort der digitalen Dokumentation der staatlichen Gewalt und der mutigen Proteste. In diesem Beitrag gehen wir auf die Situation im Iran ein und nennen weitere Informationsquellen.
Der gewaltsame Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini am 16. September durch die iranische Sittenpolizei löste zunächst im Iran, aber sehr bald auch weltweit Protestwellen aus. Die seit über einem Monat andauernden Proteste im Iran werden mittlerweile als Revolution bezeichnet. Das Ausmaß der Widerstände gegen das sogenannte islamische Regime erstreckt sich von jungen Schülerinnen, die sich gegen ihren Schuldirektor behaupten und gegen die Kopftuchpflicht protestieren, bis hin zu Arbeiter*innen aus unterschiedlichsten Bereichen, die mit landesweiten Streiks ihren Protest kundtun.
Jina Mahsa Amini wurde zum Symbol eines feministischen Widerstandes, der das ganze Land, aber auch die ganze Welt inspirierte. Zum Ende der 40-tägigen Trauerzeit nach Jinas Tod reisten tausende Iraner*innen zu ihrem Grab, um ihrer zu gedenken. Nika Shahkarami wurde ein weiteres Gesicht der iranischen Revolution. Die 16-Jährige war sehr aktiv an den Protesten beteiligt und wurde so zur Zielscheibe staatlicher Gewalt.
Die andauernden Proteste sind jedoch nicht ausschließlich auf den Kopftuchzwang im Land zurückzuführen. Vielmehr sind sie ein Ausdruck des Widerstandes gegen viele unterschiedliche Unterdrückungsformen, der Frustration mit dem Regime, der Armut und Inflation.
Die globale Solidarität ist hierbei sehr wichtig für den Widerstand im Iran. Nicht nur, um den internationalen Druck auf die Regierung zu erhöhen, sondern auch als mentale Unterstützung für die Menschen im Iran.
Digitale Orte des Widerstandes
Laut der amerikanisch-iranischen Aktivistin Hoda Katebi war die solidarische Demonstration in Berlin mit über 80.000 Anwesenden die größte Demo weltweit außerhalb des Irans.
Die internationale Solidarität ist groß und wichtig. Die globale Anteilnahme konnte in erster Linie über digitale Kanäle wie Instagram und Twitter mobilisiert und gehalten werden.
Aufgrund der Zensurversuche des iranischen Regimes kommunizierten Netzaktivist*innen weltweit unterschiedliche Möglichkeiten, um Iraner*innen Zugang zum Internet zu ermöglichen und ihre Widerstände sowie die Gewalt durch das iranische Regime sichtbar zu machen.
Ohne diese digitale Dokumentation der staatlichen Gewalt und der lokalen Proteste hätten die Proteste vermutlich an Antrieb verloren, da der Mut und der Widerstand der Iraner*innen an einem Ende das Landes wiederum Menschen an anderen Orten des Landes sowie der Erde inspiriert.
Solidarisch und informiert bleiben
Das Missy Magazine hat eine Übersicht zu nennenswerten Social-Media-Accounts erstellt, die im deutschsprachigen Kontext über die aktuellen Entwicklungen der Widerstände im Iran informieren. Die Journalistin Nour Khelifi beleuchtet in einem Artikel für ZE.TT die Themen Kopftuchzwang und Kopftuchverbot als zwei Seiten der gleichen Medaille und erinnert daran, die wichtige Solidarität mit den Frauen im Iran nicht für antimuslimischen Rassismus zu instrumentalisieren.
Die Power globaler Solidaritäten konnten wir zuletzt bei der Evakuierung der Menschen aus der Ukraine bezeugen. Auch im Fall der Widerstände im Iran ist es inspirierend zu sehen, welche unterschiedlichen Wege und Ausmaße der internationalen Solidarität möglich sind.
Hierbei sollten wir uns jedoch immer wieder in kritischer Solidarität üben. Das bedeutet, die eigenen Vorurteile, Standpunkte und Motivationen stets kritisch zu reflektieren.
Es greift beispielsweise zu kurz, von der ersten feministischen Revolution zu sprechen, wenn wir auf den Iran blicken. Historisch gesehen sind feministische Revolutionen keine Ausnahme im sogenannten globalen Süden, da es sehr oft Frauen sind, die in der ersten Reihe dieser Revolutionen stehen, unter anderem, weil sie neben anderen marginalisierten Gruppen am stärksten von struktureller und staatlicher Gewalt betroffen sind.