Gastbeitrag: 13 Fragen, konstruktive Faktenchecks und positive Psychologie gegen den Hass- Teil 2
Zu oft werden Journalist*innen selber zum Ziel von Hassrede; im Netz und im echten Leben. Die Journalistin Dunja Hayali musste sich in den vergangenen Jahren viel gefallen lassen. Zu den rassistischen oder sexistischen Beleidigungen und ernsthaften Bedrohungen auf Social Media kam es auch auf der Straße immer wieder zu verbalen Attacken. Dennoch suchte sie weiter das Gespräch mit Kritiker*innen z.B. auf PEGIDA oder Querdenker-Demonstrationen und reagierte auf Hate Speech im Netz vielfach mit sachlicher Gegenrede. Die Beleidigungen an Dunja Hayali erreichten einen Negativrekord im August 2020, als die 47-Jährige über eine Querdenker-Demonstration berichtete. Aufgrund der Journalismus-feindlichen Stimmung wurde die Situation von ihren Sicherheitsbegleitern als zu gefährlich beurteilt und Dunja Hayali musste die Berichterstattung abbrechen.
Deutschland nur auf Platz 13 im Pressefreiheits-Ranking
Allein in Deutschland wurden 2020 65 Angriffe auf Journalist*innen gezählt. Mindestens 36 der Attacken passierten auf Querdenker-Demonstrationen, das hat die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ ermittelt und verweist auf eine hohe Dunkelziffer an nicht gemeldeten Übergriffen. Im Juni 2021 sorgten Drohungen und Beleidigungen auf Twitter dafür, dass Dunja Hayali für eine Auszeit von den Anfeindungen ihren Account pausierte. Die Journalistin meldete sich im vergangenen November auf der Plattform zurück, nur um zu teilen, wie ihr beim Einkaufen ins Gesicht gespuckt wurde. Diesmal war die Beleidigung nicht ‚Lügenpresse‘, sondern ‚Impf-Nazi‘.
Lügenpresse als Kampfbegriff
Als angehender Journalist ist es sehr beunruhigend für mich, von solchen Situationen zu hören. Ist es zu viel verlangt, sich bei der Ausübung eines Berufes sicher fühlen zu können? Erst recht, wenn es ein Beruf ist, der eigentlich dazu dient, die Demokratie zu stärken? Wenn ich meine eigene Familie beruhigen muss, weil sie Angst haben, ich könnte von Mediengegnern verprügelt werden, dann läuft irgendetwas falsch. Der Lügenpresse-Vorwurf ist ein beliebtes Instrument der Medienfeinde. Er dient bereits seit dem 19. Jahrhundert als eine Art Kampfbegriff gegen unbequeme Journalist*innen, ungewollte Meinungen und unliebsame Medien; oft einhergehend mit antisemitischen Verschwörungstheorien. Die Nationalsozialisten nutzten den Begriff im Dritten Reich ebenso wie das SED-Regime der DDR mit Blick auf die „kapitalistischen“ Westmedien.Berüchtigt für die erneute Nutzung des Begriffs ist unter anderem der ehemalige Präsident der USA, Donald Trump. Er hat schon oft die Medien als ‚Lügenpresse‘ oder auch als ‚Fake News‘ bezeichnet.
Trumps Anhänger*innen gaben aber auch gleich eine Alternative: ‚Alternative Fakten‘, wie sie seine Sprecherin Kellyanne Conway erstmals nannte. Alternative Fakten, die unter anderem belegen sollten, dass es nie mehr Zuschauer bei einer Vereidigung zum Präsidenten gab als bei Donald Trump. In der Realität zeigt ein einfacher Bildvergleich mit Barack Obamas Vereidigung, dass die falsch Aussage ist. Die Formulierung „Alternative Fakten“ schaffte es 2017 so zum Unwort des Jahres.
Desinformation ist vielfältig
Solche und viele weitere Desinformationen stehen im Kontrast zu ehrlicher, journalistischer Arbeit. Kein Wunder, dass hier die Medien zu Feinden werden. Desinformation dient meist zur Manipulation. Sie müssen aber nicht so offensichtlich sein, wie die Lüge mit der Zuschauer*innenzahl. Die Initiative First Draft News zählt sieben Formen von Desinformation auf, darunter “falscher Kontext”, “unpassende Bildüberschriften”, “falsch zugeordnete Zitate”, “nicht erkennbare Satire” und natürlich die “vollkommen ausgedachte Nachricht”.
Glücklicherweise gibt es Initiativen, die es sich zur Aufgabe machen, Desinformation zu entlarven. Beispiele für solche Teams sind das gemeinnützige Journalist*innen-Kollektiv von Correctiv, das Faktencheck-Format des Bayerischen Rundfunk #Faktenfuchs oder die Faktenprüfer der dpa. Mit ihren Recherchen soll den Leser*innen eine Orientierung geboten werden. Dies geschieht auch auf Facebook, wo in Deutschland neben Correctiv seit 2019 auch die dpa und seit 2020 die AFP in einer Kooperation verdächtige Posts auf Fake News untersucht.
Leser*innen können aber auch helfen, indem sie Hinweise auf mögliche Desinformationen melden, auf Social Media oder direkt bei Initiativen wie Correctiv. „Im Faktencheck geht es nicht immer nur darum, Dinge als falsch hinzustellen, sondern wirklich den Wahrheitsgehalt einer Aussage unvoreingenommen zu prüfen“, erklärt Matthias Bau von Correctiv, bei einem Besuch in einem unserer Hochschulkurse im Wintersemester 2021/22. „Es gibt gute Gründe, warum manche Leute an Desinformation glauben, das muss man berücksichtigen“, meint er.
Im Gespräch bleiben
Ich kann seine Meinung nur teilen. Menschen, die von der Desinformation getäuscht wurden, noch herunterzumachen, führt zu Nichts. Den Kontakt mit den Betroffenen zu suchen, ist genauso wichtig, wie die Enthüllung der Desinformation selbst. Ein schwieriger Kampf. Das ist Matthias Bau auch bewusst. „Es ist natürlich ein Kampf gegen Windmühlen, da brauchen wir uns keine Illusionen zu machen“, sagt er und ergänzt, dass man nicht mit jedem reden könne. Oder wollen sie mit jemanden, der sie anspuckt und als ‚Impf-Nazi‘ bezeichnet, ruhig schwatzen? Allerdings seien solche Leute in der Minderheit,davon ist Matthias Bau überzeugt. Ein Indiz dafür: Correctiv bekomme wesentlich mehr positives als negatives Feedback von der Bevölkerung.
Desinformation ist Gift für unsere Diskussionskultur, da sie eine sachliche Auseinandersetzung unmöglich macht. Wenn das Vertrauen in die etablierten Medien dadurch zusätzlich geschwächt ist, führt dies zwangsläufig zu mehr Fans von Alternativen Fakten. Das heißt nicht, dass Medien und Journalisten perfekt seien oder dass sie nie Unwahrheiten verbreiteten. Auch Zeitungen, Radios und Fernsehsender produzieren Fehler. Diese Fehlinformation unterscheidet sich allerdings von der Desinformation. Ein Täuschungsmotiv steckt in den meisten Fällen nicht dahinter. Und Beschwerden über schlechten Journalismus, der Grenzen überschreitet, können bei den Landesmedienanstalten oder dem Presserat eingereicht werden.
Fehler passieren
Zu sagen, alle Medien lügen und manipulieren, ist so unwahr wie zu sagen, alle Medienskeptiker*innen sind Rechtsextreme. Es stimmt allerdings, dass der Wahrheitsgehalt des Journalismus selten so wichtig war, wie gerade. Das Publikum, das sich nicht abgewandt hat, sowie die Personen, die wir noch für seriösen Journalismus wiedergewinnen können, brauchen verifizierte und transparente Fakten. Dabei methodisch vorzugehen ist genauso bedeutsam, wie die Transparenz der eigenen Quellen. Für diejenigen, die unsere Arbeit lesen, lohnt es sich, das Beste zu geben. Und dazu zählt auch in der Gesprächsführung fair zu sein.Und es gibt immer Leute – sogar auf aufgeheizten Demonstrationen - die Journalist*innen mit Wort und Logik, nicht Faust und Hetze, gegenübertreten.
Zum Autor: Leon Noel Gärtner studiert an der Hochschule Macromedia in Leipzig Journalismus im 3. Semester. Der 21 Jahre alte Student war schon immer interessiert an den Funktionen des Journalismus für die Demokratie. Der Text entstand im Rahmen des Kurses „Spezielle Themen im Journalismus“ im Journalistik- Studiengang der Hochschule Macromedia.
Kursleitung, Redaktion und Redigat: Christine Siefer.
Leon Noel Gärtner
Student der Journalistik