Förderprogramm-Finale: Vorhang auf für 11 Finalist*innen
Den Artikel schrieben Charlotte Freihse und Nadine Brömme
Am 18. März war es soweit: die Top-11 Finalist*innen (vorher 12, ein Projekt hat seine Bewerbung zurückgezogen) für das NETTZ-Förderprogramm stellten ihre innovativen Ansätze gegen Hass, Desinformation und für eine konstruktive Diskussionskultur im digitalen Raum vor. Im Community-Voting wählten alle Anwesenden, welche drei Projekte im Rahmen des Förderprogramms ihre Ideen umsetzen können. Hier ein kleiner Sneak Peek der Projektideen:
Meta – Der weltweit erste Antidiskriminierungschatbot
Themenfeld: Antidiskriminierung | Projektträger: Meta Impact gUG
Mit dem weltweit ersten Antidiskriminierungschatbot Meta möchte das soziale Start-Up Meta Impact gUG dem wachsenden Bedarf an Beratung und verständlichen Informationen für Betroffene von Diskriminierung etwas entgegensetzen und so die Diskussionskultur - online und offline - stärken. Durch Meta erhalten Betroffene von Diskriminierung Zugang zu anonymer, digitaler Beratung: Als kostenloses Tool kann Meta eine Vielzahl an Nutzer*innen parallel über das Handy oder am PC beraten und zu jeder Tageszeit mit relevanten Informationen versorgen. Metas Potential, Vorfälle zu erfassen, Beratungsangebote sichtbar zu machen und eine juristische Ersteinschätzung zu geben, wird im Moment angedeutet und soll im Rahmen des Projekts ausgebaut werden. Während der Entstehungszeit sprachen wir mit dem Juristen und Gründer Said Haider über die Entstehung des Chatbots und über das Potenzial seines Einsatzes in der Antidiskriminierungsarbeit.
Sprich es an! Radikal höflich mit Desinformation und Verschwörungsmythen umgehen
Themenfelder: Counterspeech, Desinformation | Projektträger: Tadel verpflichtet e.V.
Radikale Höflichkeit heißt, trotz politischer Differenzen, hitzige Gespräche respektvoll führen und aktiv Position gegen Hass und Ausgrenzung beziehen – und genau hier setzt das Projekt des Tadel verpflichtet! e.V. an: In “Sprich es an!” wird der Umgang mit Verschwörungsmythen und Desinformation trainiert und so Counterspeech in Zeiten der Corona-Pandemie aktiv geschult. Durch die Konzipierung einer Online-Talk-Reihe mit Expert*innen, die im vertraulichen Gespräch Rat geben können, soll das Projektziel realisiert werden. Das Format wird um ein Train-the-Trainer-Programm erweitert, sodass ein immer größer werdendes Netzwerk an Personen entsteht, die auch selbst Gesprächsrunden und Workshops zu Counterspeech geben können und so rechtspopulistischen Vereinnahmungen des Diskurses entgegenwirken.
Junge Tüftler für Medienkompetenz
Themenfeld: Desinformation | Projektträger: Junge Tüftler gGmbH
Das Projekt der Junge Tüftler gGmbH hat das Ziel, Aufklärungsarbeit und Sensibilisierung für Manipulationsmethoden und rechter Ästhetik in sozialen Medien zu leisten. Im Zuge des Projektes lernen Pädagog*innen und Jugendliche, wie sie sich selbst und andere zum Thema Rassismus und Fake News informieren können und teilen ihr Wissen aktiv in selbst erstellten Apps. Im Mittelpunkt stehen hierbei Medienkompetenzen wie Recherche und das Erkennen von Manipulation, populistischen Aussagen und Fakes im Netz sowie digitale Kompetenzen rund um das Thema App-Erstellung. Die selbst erstellten Apps sollen auch Menschen aus dem Umfeld der Teilnehmer*nnen einen niedrigschwelligen Einstieg ins Thema bieten. Über den Multiplikationseffekt dieser Lernreisen ist geplant, in einem Jahr etwa 36.000 Jugendliche zu erreichen.
DEıN BLïQ - Perspektiven marginalisierter Gruppen innerhalb der deutschen Medienberichterstattung
Themenfeld: Counterspeech | Projektträger: BLIQ-Redaktion, Neue Deutsche Medienmacher*innen e.V.
Das Projekt der BLIQ-Redaktion des Neue Deutsche Medienmacher*innen e.V. möchte einen Raum für einen konstruktiven, gesellschaftlichen Dialog schaffen und Perspektiven marginalisierter Gruppen innerhalb der deutschen Medienberichterstattung stärken. Als Teil des digitalen Journals BLIQ soll das Instagram-Story-Format DEıN BLïQ entstehen: Betroffene von rassistischer Berichterstattung bekommen hier eine Plattform um auf Medienberichte zu reagieren. Auch Verantwortliche können eine eigene Stellungnahme abgeben. Die Reichweite sozialer Netzwerke soll hierbei genutzt werden, um nicht nur als normal geltende Narrative in der Berichterstattung zu identifizieren und zu hinterfragen, sondern auch um Counterspeech mit Reichweite zu bewirken und zu festigen.
RADAR - Resilienz für Asiatische Deutsche und Antirassismus im Netz
Themenfelder: Hate Speech, Antidiskriminierung | Projektträger: korientation e.V.
Das Projekt RADAR des korientation e.V. leistet in Kooperation mit der Initiative und Plattform ichbinkeinvirus.org einen Beitrag zum Schutz gegen rassistische Hate Speech. Bestehend aus den Modulen Wissen (Broschüre), Empowerment und Beratung (Workshops) sowie Sichtbarkeit (Webpage), richtet sich das Projekt vor allem an asiatisch gelesene Menschen. Darüber hinaus sind auch community-übergreifende Maßnahmen geplant. Die aus dem Projekt entstehenden Ressourcen und Outputs werden über die korientation-Website für alle Betroffenen von rassistisch motivierter Hate Speech im Netz zugänglich gemacht. Das Projekt möchte erreichen, dass Asiatisch-Deutsche Medienaktivist*innen in ihrer Selbstwirksamkeit gestärkt werden, indem sie zum Umgang mit Hass im Netz und anti-asiatischem Rassismus geschult und dadurch geschützt werden. So können sie als Multiplikator*innen Wissen an weitere betroffene Personen aus der Community weitergeben. Leicht zugängliche Informationen sollen auch Betroffenen von Rassismus, die nicht an Webinaren und Workshops teilnehmen können, zur Verfügung stehen. Akteur*innen aus unterschiedlichsten Bereichen werden miteinander vernetzt und teilen Wissen und Ressourcen miteinander.
DetektivKollektiv - Crowd-basierter Ansatz gegen Falschinformation, Hetze und polarisierte Meinungsbildung
Themenfeld: Desinformation | Projektträger: DetektivKollektiv e.V.
Das Projekt des DetektivKollektiv e.V. ist eine crowd-basierte Antwort auf Falschinformation, Hetze und polarisierte Meinungsbildung. Die zivilgesellschaftliche Community des DetektivKollektivs soll zu einer Zukunft beitragen, in der gesellschaftliche Diskurse und politische Meinungsbildung nicht mehr so einfach manipuliert werden können. Objektiv, transparent und kostenlos zugänglich fördert das Projekt die digitale Medienkompetenz der Zivilgesellschaft durch die kritische Auseinandersetzung mit den Bestandteilen einer Nachricht. Als Ergänzung zu Fakten-Checks wird über eine innovative Plattform, auf der sich ehrenamtliche Detektiv*innen vernetzen, mit Hilfe von Fragenkatalogen die Glaubwürdigkeit digitaler Nachrichten bewertet. Nutzer*innen können digitale Inhalte ohne vorherige Anmeldung und kostenlos an die Detektiv*innen einreichen – per Bot oder Website. So sollen auch vulnerable Gruppen inkludiert werden, die nicht über die notwendigen Ressourcen oder Erfahrung verfügen, die Glaubwürdigkeit selbst zu prüfen.
Subtil & Direkt - Digitale Demokratieförderung
Themenfeld: Extremismusprävention | Projektträger: INSIDE OUT (IO) mit MINKZ (MZ)
Das Projekt Subtil & Direkt der INSIDE OUT (IO) mit MINKZ (MZ) möchte einen Beitrag zur digitalen Prävention von Radikalisierung und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) leisten und richtet sich besonders an Jugendliche und junge Erwachsene in der Schule, im Sozialraum und im E-Sport. Das Projekt produziert niedrigschwelligen Content für Instagram und stellt eine Lernplattform für Schüler*innen und Lehrkräfte sowie Kampagnen und Workshops innerhalb der eSports Community bereit. Jugendliche sollen so spielerisch ermutigt werden, sich mit Themen der GMF und Fake News auseinanderzusetzen. Durch die Reflexion des eigenen Handelns möchte das Subtil & Direkt ein kritisches Bewusstsein für GMF innerhalb der Zielgruppe bewirken und die Fähigkeit stärken, Verschwörungstheorien und Fake News kritisch zu hinterfragen.
No Hate, no Fake in russischsprachigen Facebook-Gruppen
Themenfeld: Desinformation | Projektträger: Bundesverband russischsprachiger Eltern e.V.
Mit dem Projekt Nohate, NoFake - Projekt richtet sich der Bundesverband russischsprachiger Eltern e.V. an die Zuwanderungsgruppe der Russischsprachigen in Deutschland und möchte – im Angesicht des Wahljahres 2021 – die Themen Desinformation, Verschwörungnarrative, Bot-Netze, Framing-Inhalte und Hate Speech in den sozialen Netzwerken der Gruppe angehen. Durch die Förderung einer demokratischen Diskussionskultur und die Stärkung der Medienkompetenz und Meinungsbildung der Nutzer*innen soll antidemokratischen, populistischen und diskriminierenden Inhalten innerhalb der russischsprachigen Community etwas entgegengesetzt werden: Das Projekt möchte zunächst die Verbreitungskanäle von Informationen unter Russischsprachigen identifizieren und die Administrator*innen vernetzen. Diese sollen zu Medienkompetenz (Fake-News, Hate-Speech, Erkennung von Social Bots, erfolgreiche und friedliche Administration von FB-Gruppen etc.) und politischer Bildung (Verschwörungstheorien, Extremismus im Netz, Framing etc.) geschult werden. Ein weiterer Teil des Projektes ist die Unterstützung der Internet-Aktivist*innen, die in den Gruppen gegen Fakes und Hate Speech handeln (die so genannten Elfen).
Counterattack – Gaming für Counter Speech
Themenfeld: Hate Speech; Counter Speech | Projektträger: Aktion Zivilcourage e.V.
Das Projekt des Aktion Zivilcourage e.V. möchte die Gesellschaft für das Thema Counter Speech sensibilisieren und Menschen ermutigen, entsprechende Handlungsmöglichkeiten sowohl in sozialen Netzwerken, als auch im analogen Raum aktiv anzuwenden. Durch das Onlinespiel “Counterattack” werden Handlungsoptionen zur Reaktion auf Hassrede und extremistische Inhalte in sozialen Netzwerken simuliert und auf spielerische Art und Weise erlernt. Dafür wird eine Homepage programmiert, auf welcher die Spieler*innen auf verschiedene Szenarien mit entsprechenden Handlungsoptionen reagieren können. Zum sicheren Erlernen bietet "Counterattack" zahlreiche Hintergrundinformationen zu Formen, Funktionsweisen, Vor- und Nachteilen und der Effektivität von Counter Speech. Die spielhafte Simulation von Szenarien des Alltags ermöglicht eine handlungsorientierte Auseinandersetzung. Es wird nicht nur reines Faktenwissen vermittelt, sondern die abgebildeten Handlungsoptionen werden in der Simulation direkt ausprobiert.
Wir denken selbst und mit!
Themenfeld: Pädagogische Ansätze | Projektträger: Jugendteam vom Projekthof Karnitz e.V.
Der Projekthof Karnitz e.V. existiert und arbeitet seit 1997 im Bereich (kulturelle) Bildung und nachhaltige Entwicklung durch Projekte wie das Jugend Kreativfestival oder die Bürger*innenzeitung „Die AUFmacher“ (seit 2020). Um den erhöhten Radikalisierungsrisiken im ländlichen Raum zu begegnen, will der Projekthof in Mecklenburg-Vorpommern eine Online-Jugendzeitung gründen. Die Zeitung soll junge Menschen begleiten, die in einer offeneren und toleranteren Gemeinschaft leben und diese aktiv mitgestalten wollen. Die Online-Zeitung wird ausschließlich von Jugendlichen aus der Region verfasst und beschäftigt sich mit Themen, die 14-25-jährigen wichtig sind. Die Jugendlichen sollen sich im Projekt mit ihren eigenen Vorurteilen auseinandersetzen. Damit sie die Mechanismen von Diskriminierung und Hassdiskursen verstehen lernen, setzen sie sich damit auseinander, inwiefern und in welchen Bereichen sie diskriminieren, aber auch wann und wo sie selbst diskriminiert werden (können). In einem Jahr werden die Jugendlichen als Gruppe befähigt sein, selbständig extremistische Ideen und Fake News und Hassmeinungen on- und offline zu erkennen und zu kommentieren. Journalist*innen sollen die Jugendlichen als Referent*innen im Projekt unterstützen.
Alles - nur nicht aufgeben! Junge Multiplikatorinnen gegen Mobbing im Netz
Themenfeld: Antidiskriminierung | Projektträger: Fachstelle Kinderwelten / Institut für den Situationsansatz
Das Kooperationsprojekt richtet sich an Mädchen, die in Unterkünften für geflüchtete Menschen leben: Durch verschiedene Workshopformate zu Diskriminierung und Empowerment sollen die Mädchen zu Netzaktivist*innen fortgebildet werden und ihr Wissen mit einer breiteren Community über Social Media teilen. Die Teilnehmer*innen setzen sich mit Diskriminierungen kreativ-multimodal und auch biografisch-reflexiv auseinander und bearbeiten diese im Kollektiv. Im nächsten Schritt bereiten sie eigene Take-Aways für Jugendliche und Erwachsene auf (z.B. durch Podcast, Bilder, Kurzfilm und Posts). Dadurch werden sie medienpädagogisch sensibilisiert und ausgebildet. Die Prozessergebnisse werden über Social Media und eine öffentliche Ausstellung für pädagogische Fachkräfte zugänglich gemacht und gesichert. Es gibt mittlerweile wachsende Strukturen von intersektionaler Mädchenarbeit. Teile des Pilotprojektes sollen daran angebunden werden.
Es hat uns große Freude bereitet, alle 39 Bewerbungen zu sichten. Bei so vielen vielversprechenden Ansätzen blicken wir optimistisch in die Zukunft. Am 18.3. müssen wir uns nun erst einmal für die Top-3 dieser elf herausragenden Ideen entscheiden. Das wird nicht leicht!
Zu den Pitches und zum Community-Voting sind alle eingeladen, die eine fachliche Expertise in den Themenfeldern Anti-Hate-Speech, Antidiskriminierung, Desinformation und konstruktive Diskurskultur mitbringen. Um eine faire Abstimmung zu ermöglichen, sollten alle Anwesenden in der Lage sein, die finalen Projekte nach den Kriterien Wirksamkeit, Realisierbarkeit, Innovation und Themenbezug zu bewerten. Im Publikum sind Unterstützer*innen der Finalist*innen, unsere Jurymitglieder Kübra Gümüşay, Carolin Ziemer & Prof. Dr. Tobias Rothmund (Uni Jena), die NETTZ-Community, Stiftungen, Twitter und weitere potenzielle Förderer, die neue vielversprechende Ansätze kennenlernen wollen.
Nadine Brömme
(sie/ihr) Co-Gründerin / Co-Geschäftsführerin