Fearless Democracy im Portrait: Analyse von Hasskampagnen
Fearless Democracy e.V. ist eine junge NGO, die der Meinung ist, dass unsere inklusive Demokratie vor allem durch den höheren Digitalisierungsgrad ihrer Gegner*innen herausgefordert wird. Hanna Gleiß sprach mit André Groten, 2. Vorsitzender des Vereins.
Ihr wart unter den Gewinnern des Förderwettbewerbs 2017. Was habt ihr gemacht?
Der Förderwettbewerb hat uns befähigt Hass und Hetze im Netz konsequent durch Datenanalysen offenzulegen und qualitativ hochwertige Recherchen durchzuführen.
Ihr habt Daten-Storys und Live-Analysen von gezielten Hass-Angriffen produziert. Was waren euren wichtigsten Erkenntnisse?
Digital produzierte und distribuierte Wut gegen Individuen und Institutionen gehört zur Tagesordnung in Deutschland. Fake-News, Content-Hacks und Hasskampagnen bestimmen zunehmend die Schlagzeilen. Aber auch das Level darunter: Framings und Halbwahrheiten, Agenda-Setting und dergleichen mehr. Mit dem Budget haben wir Datenexperten und eine Journalistin bezahlt, die diese Medien Wellen kartographieren und darstellen konnten. Gelernt haben wir einmal mehr, wie organisiert Meinungsmache im Zusammenhang mit sozialen Medien heute ist.
Von welchen Personen oder Gruppen gehen diese Hass-Attacken aus?
Hass-Kampagnen und die sogenannten Shitstorms gehören mittlerweile zu den täglichen Nachrichten, wie die Butter zum Brot. Um was es dabei geht, kann man nicht wirklich generalisiert beantworten. Von hart extremistischen Zirkeln, die sich zu Content-Attacken verabreden, bis hin zu suggestiven Presseerzeugnissen aus der Reihe “Das wird man doch mal sagen dürfen” (um dann den Rest in den Kommentarspalten erledigen zu lassen), ist alles dabei.
Welche Veränderungen nehmt ihr wahr in den letzten Monaten oder Jahren? Hat das NetzDG etwas verändert aus eurer Sicht?
Hater im Netz lernen und die Struktur dieser Wellen verändert sich. Hass im Netz ist mittlerweile Mainstream-Thema geworden, es existiert mehr Bewusstsein, Journalist*innen erkennen ihre Verantwortung, Factfinder-Tools existieren - und zunehmend auch das Gefühl, dass man sich wehren kann. Gefühlt sind damit auch die Trolle auf neue Taktiken ausgewichen.
Auch wenn es immer noch absurd bösartige Angriffe gegen Einzelne gibt: Zunehmend werden Drohungen und Attacken subtiler, verstecken sich mehr und mehr hinter angeblicher Satire und organisieren sich immer mehr in geschlossenen Zirkeln. Auch extreme Meinungen lernen und entwickeln sich fort.
So zum Beispiel mit der Browser-Extension Dissenter, die nun eine Art “Meta-Kommentarfunktion” hinter der Kommentarfunktion anbietet, um sog. Zensur zu vermeiden.
Wen seht Ihr in der Verantwortung, Lösungen gegen Hate Speech zu erarbeiten?
Hass im Netz ist ein umfassendes Thema, welches viele verschiedene gesellschaftliche Bereiche berührt. Dabei ist Hassrede besonders häufig in den Kommentarspalten von Facebook, Twitter und Youtube zu finden. Aber eben auch in den Kommentarspalten von journalistischen Erzeugnissen, die mal mehr und mal weniger bewusst ihre Engagement-Rate mit künstlich aufgestacheltem Zorn für die Social Networks sichtbarer machen.
Verbote und rechtliche Rahmenbedingungen werden nur an einem - wenn auch wesentlichen - Punkt ansetzen können: Der Verantwortung der Social Networks. Viel wichtiger ist aber das Bewusstsein für Hass im Netz und auch die Selbsterkenntnis, dass wir alle in dieser Fragestellung eine Rolle spielen. Gleich, ob wir Nutzer*innen, Politiker*innen oder Journalist*innen sind.
Gibt es aus Eurer Sicht positive Entwicklungen?
Ja, gibt es. Das all umfassende Problem Hassrede ist im kollektivem Bewusstsein angekommen. Dies ist nicht zuletzt der kritischen und engagierten Zivilgesellschaft in Deutschland zu verdanken. Durch das Stärken von Journalist*innen und staatlichen Institutionen, um sie widerstandsfähiger gegen politisches Kapern von Populisten und Extremisten im Netz zu machen.
Mit welchen täglichen Herausforderungen habt ihr am meisten zu kämpfen?
Die Welt der Hassrede ist in ständigem Wandel. Zusätzlich reden wir über ein immer noch relativ junges Thema, dessen demokratische Echtzeit-Dimension kaum verstanden wird. Eine Meinung dazu hat jeder, aber wir sind immer noch Pioniere, lernen alles neu und die Förderungen sind nach wie vor äußerst bescheiden.
Euer aktuellstes Projekt ist HateAid: Wie ist da der Stand?
HateAid ist seit Ende letzten Jahres eine eigenständige Organisation, die Beratungscontent für digital Angegriffe bereitstellt und ihnen bei Shitstorms zur Seite steht. HateAid hat in naher Zukunft noch viel vor, aber dazu möchten wir an dieser Stelle nicht zu viel verraten...
Wie kann man sich bei Euch einbringen? Sucht ihr Unterstützung?
Wir haben uns nie durch Mitgliederzahl definiert sondern durch Menschen, die etwas mitbringen und Aufgaben übernehmen wollen. Ach, und durch Spender und Fördermitglieder. Da kann man sich am besten einbringen.
Hanna Gleiß
(sie/ihr) Co-Gründerin / Co-Geschäftsführerin