#CE19 Community Event 2019: so groß und vielfältig wie nie zuvor
Am 6. und 7. Juni fand unser Jahreshöhepunkt statt: Unser zweites Community Event. Es waren zwei wunderbare volle Tage - voller Begegnungen und Gespräche mit über 100 spannenden Leuten aus verschiedenen Bereichen, Regionen und Ländern. Bereits das Community Event 2018 war eine inspirierende Veranstaltung mit über 80 Engagierten. Aber so groß und vielfältig wie dieses Jahr war es vorher nicht. Für alle, die nicht dabei sein konnten, haben wir Bilder zusammengestellt, Tag 1 und Tag 2.
Schwerpunkt waren Austausch, Vernetzung und Wissenstransfer sowie Ermutigung der Engagierten. Die Sessions gestalteten wir wie gewohnt interaktiv. Höhepunkte bildeten die Pitchings der zehn Finalist*innen des Förderwettbewerbs und die anschließende Entscheidung aller Teilnehmenden, wer die Preisgelder erhält. Die Community hat fünf innovative Projektideen ausgewählt, hier mehr über die Gewinner*innen. Eine Ausstellung lud die Teilnehmenden ein, sich die Dokumentation Projekte aller bisherigen Gewinner*innen sowie der diesjährigen Finalist*innen anzuschauen.
Vielfältiges Drumherum: Diversus, Interviews und Virtual Reality
Eine Premiere gab es beim #CE19. Der DIVERSUS Verein stellte einen Prototypen für videobasierte Kommunikation und Wissenstransfer vor und brachte ihn direkt zum Einsatz. Dieses Tool ermöglicht eine Erweiterung für die Veranstaltung: Von einigen Sessions wurden Video-Dokumente aufgezeichnet, die wir für die Teilnehmenden online stellen, um den Diskurs videobasiert fortzusetzen. Für DIVERUS ist das eine willkommene Möglichkeit, die Anwendung in einem kleineren Rahmen zu testen. Martin Sambauer fände es "hilfreich, wenn Menschen verschiedener Meinungen miteinander in Kontakt kommen, um sich gegenseitig zu balancieren, Probleme zu benennen, anzuerkennen und Lösungen zu finden. Genau dafür bauen wir eine dialektische Infrastruktur, ein neues Paradigma im Internet." Einen tieferen Einblick in die Idee dahinter findet ihr im Interview mit unserem Kollegen Yannick Lebert.
D3- So geht digital war unser Medienpartner, hat zwischendurch mehrere Interviews mit Teilnehmenden aufgenommen und den ersten Tag des Events zusammengefasst.
An der virtual reality Station “Hug a choo” zeigte der niederländische Künstler Richard Schut, wie es sich anfühlt digital und analog gleichzeitig umarmt zu werden. Diesen besonderen Moment konnte man während beider Tage erleben und/oder selbst zu einer/einem der Protagonist*innen im virtuellen Raum werden.
Hate Speech abseits von Großstadtanonymität
Die Momente, in denen die versammelten Aktiven als Community spürbar waren, waren diejenigen, in denen wir alle gemeinsam an Fragen und Lösungsansätzen gearbeitet haben. Besonders ausgeprägt war das in der Session “No Hate Speech abseits von Großstadt-Anonymität - Herausforderungen und Lösungen”. Wir starteten mit konzentriertem Zuhören. Impulse und offenen Fragen wurden anschließend in kleineren Gruppen zusammengetragen und erste Ideen entstanden. Themen waren u.a. Lokalpresse, AfD und Einschüchterung.
Das Netz als Safe Space für Frauen
Neben den Herausforderungen abseits der Großstadtanonymität haben wir weitere inhaltliche Schwerpunkte gesetzt. Auch im Netz sind es Frauen, die besonders stark angegangen werden und von digitaler Gewalt betroffen sind. Uns treibt die Frage um, was wir dafür tun können, dass das Netz zu einem Safe Space für Frauen wird. Nachdem Renate Künast in ihrem Vortrag schilderte, wie es ihr und vielen anderen im Internet ergeht, haben wir in einer kleineren Runde gemeinsam konkrete Maßnahmen diskutiert. Anwesend waren Netzfeministinnen wie Jasna Strick und Anne Roth, Netzpolitik-Referentin der Fraktion Die Linke im Bundestag, die auch im späteren Verlauf des Events noch über digitale Gewalt gegen Frauen abseits von Hate Speech berichtete.
Meinungsfreiheit, Regulierung und Strafrecht
Der Rechtsanwalt und Fachanwalt IT-Recht Chan-jo Jun sprach über den Konflikt zwischen Menschenwürde und Meinungsfreiheit. Sein Fazit: Wir brauchen nicht mehr und nicht weniger Regulierung, sondern schlauere Mechanismen. Im Anschluss diskutierte er mit den Teilnehmenden anhand von Fallbeispielen über anonyme, Anzeigenerstattung, Bedrohungsszenarien und darüber, wie wir uns schützen und juristisch wehren können. Deutlich wurde abermals wie relevant juristische Fragen im Themenfeld Hate Speech sind, aber auch nur Teil der Lösung sind.
Zeit für Austausch und Wissenstransfer
Pausen wurden intensiv für Austausch und Vernetzung genutzt. Ganz gezielt war dies jedoch auch in parallel stattfindenden Stationen möglich, an an denen Einzelne über ihre Erfahrungen sprechen konnten und zur Diskussion einluden. Und da sehr viele ihre Expertise einbringen wollten hatten wir entsprechend viele Gruppen:
Digital mündig in Zeiten von Hate und Fake – wie junge Menschen sich Meinungen bilden und vertreten; Rechtslage nach dem attac Urteil; Hate Speech aus sprachwissenschaftlicher Sicht; Verrohung der Sprache in der Presse; Antiziganismus im Netz; Niedrigschwelliger Kontakt im Internet und Online Deradikalisierung; Kommunikationskultur der deutschsprachigen Wikipedia; Meldestelle respect!; Digital Peace Talks: Wie können Meinungen visualisiert werden?; Datenanalyse von Hate Speech; antidiskriminierende Sprache.
Einige berichten von internationalen Projekten: “Talking Europe" - Digitaler Dialog in Europa, Diskutier mit Mir; Hate Speech gegen Schwarze Menschen und Beratungsarbeit in Österreich, ZARA; Erfahrungsbericht aus der Schweiz “Boulevardzeitung als Dieselmotor des Hasses”, Netzcourage.
Möglichst unterschiedliche Perspektiven zusammenzubringen ist uns wichtig. Deshalb gab es eine Station mit Marie-Theresa Weber (Facebook) und Nina Morschhäuser (Twitter) mit dem vielversprechenden Titel “Was ich Facebook & Twitter schon immer zum Umgang mit Hate Speech fragen wollte”. Diese Chance wurde rege genutzt.
Die Kraft der Community - für eine Welt ohne Hassrede
Eine Teilnehmerin schrieb uns im Nachgang:
Es war es ein guter Motivationsschub. 10 Jahre Engagement und viel Gegenwind - können doch sehr hart sein, wenn man nicht so viel Rückendeckung hat. Für uns hat sich das Rückgrat wieder etwas aufgerichtet.
Und diese Ermutigung ist so wichtig, das Gefühl #wirsindmehr. Die Community wird größer, Netzwerke haben sich gebildet und verfestigt. Wir freuen uns über alle konkreten Projektideen und Kooperationen. Gemeinsam können wir so viel mehr erreichen. Wir möchten weiterhin alle dazu ermutigen, die Herausforderungen gemeinsam anzupacken und nicht singular und in Konkurrenz zu denken. Wenn jede/r von uns ihre/seine Stärken optimal einsetzt sind wir stark.
Freitag nachmittag haben wir uns mit der Zukunft beschäftigt. 2030 - eine Welt, in der Hasskampagnen völlig aus der Mode gekommen sind. Warum, wie sind wir dahin gekommen, was hat uns stark gemacht, wer hat uns unterstützt… ? Diese Fragen sollten uns anregen Visionen zu entwickeln und nach dem Modell Ecocycle mit den Phasen Geburt, Erneuerung, Reife, kreative Zerstörung zu arbeiten. Auf dem Fußboden malten wir auf ein übergroßes Papier Ideen zu den vier Phasen auf. Das NETTZ wird diese Impulse weiter auswerten und damit weiter arbeiten.
Vielen Dank an unsere Förderer, an unseren Medienpartner D3 - so geht digital, an unsere Helfer*innen vor Ort und an alle, die sich an den zwei Tagen eingebracht haben. Der Veranstaltungort ZK/U war mit seiner herrlichen Terasse so einladend, dass viele auch noch nach dem offiziellen Ende am Freitag nachmittag einfach blieben und ihre Gespräche fortsetzten.
Hanna Gleiß
(sie/ihr) Co-Gründerin / Co-Geschäftsführerin