Bedeutung alternativer Plattformen in Zeiten von Corona
Anfang Februar hat das ISD (Institute for Strategic Dialogue) die Studie “Das Online-Ökosystem rechtsextremer Akteure” veröffentlicht. Am 11.2. haben wir sie gemeinsam mit dem ISD Parlamentarier*innen im Bundestag präsentiert, die Ergebnisse diskutiert sowie abends bei einer Podiumsdiskussion mit einem größeren Publikum, im Trio mit der Robert Bosch Stiftung, die die Studie finanziert haben (Details).
Seitdem hat sich einiges getan: Verschwörungsmythen haben auf alternativen Plattformen Konjunktur, rechtsextreme Akteur*innen versuchen, aus der Unsicherheit der aktuellen Krisen-Situation Kapital zu schlagen. Zum digitalen Stammtisch am 3.6. luden wir Jakob Guhl, Koordinator, Policy & Research, ISD zu einem Input ein. Der Vortrag besteht aus: einer kurzen Zusammenfassung der Studienergebnisse, neuen Entwicklungen auf den alternativen Plattformen seit Februar, dem Stand der Forderungen. Schaut es euch hier an (38 Minuten).
Seit Februar gibt es vier Entwicklungen:
- leichtes Wachstum bei 4chan & VK seit Februar
- deutlicher Zuwachs bei Rechtsextremen auf Telegram
- explosionsartiger Zuwachs bei Verschwörungsgläubigen auf Telegram
- 8kun ist wieder online
Im Anschluss an den Input diskutierten wir (knapp 30 Vertreter*innen aus Zivilgesellschaft, Forschung, Medien, Politik, Stiftungen) viele Themenkomplexe, u.a.:
- Definition alternativer Plattformen: Ist Telegram überhaupt noch eine alternative Plattform? Welche Rolle spielt WhatsApp? (nein, keine alternative Plattform)
- Wirkung von Propaganda: Wirkungsanalysen sind schwierig, da wir zu wenig darüber wissen, wie Propaganda bei Nutzer*innen wirkt
- Konsequenzen der Regulierung: De-Platforming, also Migration zu weniger regulierten Marktanbietern, den potenziellen Auswirkungen durch DSA (Digital Services Act).
Wo genau können wir ansetzen, wie gelingt Deradikalisierung?
- Was hilft Menschen aus radikalisierten Milieus wieder raus? Ein Austausch mit Psycholog*innen ist zu empfehlen.
- Wir müssen uns Radikalisierungsprozesse anschauen, wie funktioniert die Anwerbung. Wer ist besonders verwundbar?
- Was hilft in der Ansprache von Verschwörungsgläubigen? Das private Umfeld ist am wirksamsten.
- Mehr internationale Vergleiche zur Verbreitung von Rechtsetremismus und Verschwörungsmythen (sowohl auf Mainstream-Plattform als auch auf alternativen Plattformen) wären spannend.
- Wie können Multiplikator*innen im Bereich der (außerschulischen) Jugendarbeit noch effektiver für die Themen (der alternativen) Plattformen geschult werden?
Zu all diesen Fragen werden wir im Gespräch bleiben. Wenn euch relevante Studien dazu bekannt sind, gebt uns gerne Bescheid. Dann können wir sie in der Übersicht Publikationen eintragen. Auch ihr seid in dem Bereich aktiv? Dann tragt euch doch gerne in unserer Akteur*innen-Datenbank hier ein.
Der nächste digitale Stammtisch findet am 22.6. von 13-14.30 Uhr gemeinsam mit dem CEP (Counter Extremism Project) statt und widmet sich den Fragen: Was ist das DSA? Warum ist es relevant? Wie können wir als digital engagierte Zivilgesellschaft darauf Einfluss nehmen?
Hanna Gleiß
(sie/ihr) Co-Gründerin / Co-Geschäftsführerin